Die Piratenpartei ist mit Ihrer Klage auf Anonymität bei der Nutzung von Prepaidkarten in letzter Instanz vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gescheitert. Die Richter sahen in überwiegender Mehrheit von sechs zu einer Stimme darin keine Verletzung der Privatsphäre, die in Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention geregelt ist. Damit sind keinerlei Änderungen beim inzwischen gängigen Verfahren der Identifizierung von Prepaidkartennutzern geben.
Können Sie sich noch erinnern? Vor weniger als drei Jahren konnte man noch Prepaid-Karten erwerben und dann ganz einfach und unkompliziert über eine Online-Registrierung freischalten. Die hinterlegten Daten dort wurden nicht überprüft, so dass man sich auch eine mehr oder weniger anonyme Prepaidkarte besorgen konnte. Das aber rief Begehrlichkeiten der Behörden auf den Plan, schließlich könne man ja mit anonymen Prepaidkarten auch Missbrauch betreiben und eine mögliche Datenspeicherung würde auch ins Leere greifen. Also wurde unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung eine Ausweis- und Verifizierungspflicht eingeführt, die es in sich hatte.
Das Ergebnis: Inzwischen ist es einfacher, einen Laufzeitvertrag abzuschließen, als eine Prepaidkarte zu aktivieren. Viele Anbieter setzen bei Postpaid nämlich auf das vereinfachte Postident-Verfahren, wo der Postbote vor Ort den Ausweis kontrolliert. Im Gegensatz dazu muss für Prepaid entweder das umständliche und fehleranfällige Video-Ident eingesetzt werden oder ein Weg zu einem Shop oder einer Postfiliale ist unumgänglich.
Noch verrückter wird es, wenn ein Kunde eine Karte auf seinen Namen umschreiben lassen möchte. Das kann sowohl bei Inhaberwechsel oder älteren falsch registrierten Karten der Fall zu sein. Hier lehnen nach wie vor einige Anbieter die Umschreibung unter Hinweis auf die verschärften Regeln und fehlende technische Möglichkeiten zur Umschreibung ab. Das dies nur ein Vorwand ist, drängt sich nach der langen Zeit förmlich auf. Ob sich die Anbieter im falle falsch registrierter Karten damit eventuell sogar strafbar machen, kann auch nicht ganz ausgeschlossen werden. Schließlich verhindern die Aktiver damit, dass ein Nutzer seiner Identifizierungspflicht nachkommt.
Derweil ist der Nutzen umstritten. Dort wo es wirklich um kriminelle Handlungen geht, sind die Banden schon lange auf andere Wege ausgewichen. So nutzen diese zur anonmyen Kommunikation beispielsweise Ende-zu-Ende-verschlüsselte Chatsysteme oder besorgen sich einfach anonyme Karten aus dem Ausland. Auch hierzulande dürften noch massenhaft falsch registrierte Karten im Umlauf und damit im Gebrauch sein. Prepaid-Wiki hat sich schon immer skeptisch zur Identifizierungspflicht geäußert. Uns geht es dabei aber weniger um ein Recht auf anonyme Kommunikation, sondern eher einfache Verfahren, die ein schnelles Freischalten von spontan erworbenen Karten im In- und Ausland ermöglichen. Die Piratenpartei geht unterdessen noch einen Schritt weiter und sieht sogar ein Recht auf Anonymität.
Die Piratenpartei setzt sich schon immer für ein hohes Maß an Anonymität im Netz und dabei auch bei den Prepaidkarten ein. So kritisiert die Partei nicht nur die Registrierungspflicht, sondern auch die immer noch im Raum schwebende so genannte Vorratsdatenspeicherung. Hier will die Bundesregierung anlassunabhängig und ohne weitere behördliche Genehmigungen pauschal alle Kommunikationsdaten der Bundesbürger erfassen und über einen längeren Zeitraum speichern. Das kommt einem Generalverdacht gleich. Dabei geht die Piratenpartei in Punkto Anonymität auch konsequent den Klageweg und ist mit der Identifizierungspflicht für Prepaidkarten inzwischen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gelandet.
Dort wird in letzter Instanz das bereits seit 2012 laufende Verfahren unter der Antragsnummer 50001/12 verhandelt. In der Klageschrift wird dabei von den Beschwerdeführern Patrick BREYER und Jonas BREYER beanstandet, dass gemäß dem Abschnitt 111 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) ihre personenbezogenen Daten als Nutzer von Prepaid-SIM-Karten für Mobiltelefone („pay as you go“) bei ihrem jeweiligen Diensteanbieter gespeichert werden. Folglich geben sie an, dass sie nicht in der Lage sind, anonym über das Mobiltelefon zu kommunizieren. Darin sehen sie eine Verletzung der Privatsphäre und einen Eingriff in die Meinungsfreiheit. Sie beziehen sich dabei auf die Paragrafen 8 und 10 der europäischen Menschenrechtskonvention, wo unter anderem das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens geregelt ist. Nachdem die Vorinstanzen alle gegen den Kläger entschieden hatten, stand heute nun eine Entscheidung der letzten Instanz an. Im Laufe des Verfahrens kam schließlich im Kontext auch und vor allem die Frage auf, ob die inzwischen eingeführte Identifizierungspflicht gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verstößt. All dies verneinten die Richter in Ihrer umfangreichen Urteilsbegründung, die inzwischen in Internet zur Einsicht bereitliegt. Dort kann auch die Argumentation von Richter Carlo Renzoni im Wortlaut nachgelesen werden. Dieser hatte als Einziger Richter der Piratenpartei recht gegeben und eine Verletzung der Privatsphäre durch Identifizierungspflicht und Datenspeicherung gesehen.
Wenn eine Prepaidkarte nichts wert ist, weil die (störende) Person dahinter auf keine Weise ausgemacht werden kann, werden die Netzbetreiber ein Verfahren einführen, das Anrufe von Prepaidkarten wie zuvor von anonymen Nummern (CLIR) ausschließt bzw. blockiert. Das kann nicht Sinn der Sache sein, ebenfalls nicht dass dann massenhaft ernsthaft und seriös genutzte Prepaidkarten abgeschaltet werden (natürlich auch ohne Guthabenauszahlung), weil Hänschen Nimmerlein, der ebenfalls du(t)zende Prepaidkarten sein Eigen nennt und missbraucht, eine Belästigung durch die (angeblich) hereinkommenden Anrufe „des unbekannten Teilnehmers“ geltend macht. Jede Medaille hat zwei Seiten, meistens werden Prepaidkarten missbräuchlich registriert, weil jemand nicht „mit seiner Nummer“ zu seinen Tk-Aktivitäten mit der „Wegwerfkarten“ (dann getätigt) stehen will. Die Netzbetreiber spielen dieses Spiel mit, weil das Einstreichen des Kartenguthabens im extremen Missbrauchfall für sie immer noch einen nicht zu vernachlässigenden Gewinn bedeutet. Dadurch geraten Prepaidkarten generell in Verruf, und der eigentlich beabsichtigte Nutzerkreise (nicht geschäftsfähige Personen, zum Beispiel Jugendliche) werden geschädigt. Der Ansatz der Piratenpartei ist prinzipiell richtig, weil er gegen die Totalüberwachung vorgehen will, hält jedoch der juristischen Prüfung des obersten europäischen Berufungsgerichts nicht stand. Somit hat man sich mit den Folgen des Urteils abzufinden, es sei denn man ist eine politische Partei. 😐
Prinzipiell hast du recht. Aber dann muss das Verfahren wenigstens so gestaltet werden, dass es nicht vom Kauf abschreckt. Ich selber habe genügend Ärger mit dem Videoident gehabt und finde das einfach übertrieben. Warum reicht es denn nicht, wie beim Vertrag, einfach eine Ausweiskopie zu schicken und diese wird dann vom Anbieter geprüft? Oder wenigstens die Prüfung des Ausweises durch den Versanddienstleister, auch das wird bei Vertrag so gemacht. Ich bleibe dabei: So wie es jetzt läuft, macht Prepaid echt keinen Spaß…
Grüße
Mike
Mag kein Verstoß gegen Menschenrechte senin aber nervt auf jeden Fall!